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Gedenken am Unglücksort: Der türkische Botschafter in Deutschland, Hüseyin Avni Karslioglu und der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann.

© Reuters

Brandkatastrophe in Backnang: Misstrauen gegen Misstrauen

Die Türkei trauert um die Opfer von Backnang. Gleichzeitig macht sich Misstrauen breit. War es wirklich ein Unglück? Im Sinne guter Beziehungen zur Türkei gibt es jetzt nur einen Weg: den völliger Transparenz.

Jeden Tag verübten deutsche Neonazis Hassverbrechen gegen Türken ohne dass diese ernsthaft geahndet würden, erklärte der türkische Kulturminister Ömer Celik über Twitter. Dass die rechtsextreme NSU über Jahre ihre Morde begehen konnte, gebe ebenfalls zu denken. Anlass für Celiks Kritik war die Brandkatastrophe von Backnang, die von den Behörden bisher als Unfall eingestuft wird, weil es keieinerlei Hinweise auf Fremdeinwirkung gebenerlei Hinweise auf Fremdeinwirkung gebe. Für den türkischen Minister zählen die Einschätzungen der Ermittler aber nicht viel. Das Misstrauen ist stärker als die Erläuterungen der Polizei.

Acht Menschen sind erstickt und verbrannt, darunter ein sechs Monate altes Baby und seine Mutter, die offenbar ins brennende Haus lief, um ihre Kinder zu retten: eine Tragödie, die Türken und Deutsche enger zusammenbringen sollte. Stattdessen zeigt der Fall den tiefen Graben zwischen beiden Ländern.

Nach dem Feuer von Backnang trauen die türkische Öffentlichkeit und die türkische Regierung den deutschen Rechtsextremisten zu, acht unschuldige Menschen ermordet zu haben – und den deutschen Behörden trauen sie zu, diese Gewalttat verschleiern zu wollen. Das ist eine niederschmetternde Momentaufnahme des Zustands der Beziehungen zwischen zwei Ländern, die sich trotz aller politischen Differenzen in der EU- und Visapolitik nach wie vor als enge Partner sehen.

Auch in der anderen Richtung herrscht das Misstrauen vor. Die deutsche Seite hegt den Verdacht, dass türkische Behörden den als mutmaßlichen Alexanderplatz-Schläger gesuchten Onur U. decken, um ihn vor einem Gerichtsverfahren in Deutschland zu bewahren. Im Fall Marco Weiß gab es von einigen Jahren ebenfalls etliche Schuldzuweisungen an die türkischen Behörden.

Nach Backnang gibt es deshalb nur einen Weg, um dem wachsenden Misstrauen zu begegnen: völlige Transparenz und Offenheit. Deshalb ist es gut, dass die deutschen Ermittler nach türkischen Angaben ausdrücklich auch einen potenziellen fremdenfeindlichen Hintergrund des Feuers untersuchen wollen. Die Beteiligung türkischer Experten an den Ermittlungen wäre ebenfalls eine Möglichkeit, die viele Bedenken in Ankara und unter den Türken in Deutschland zerstreuen könnte.

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